Sonntag, 17. Dezember 2017

... Wünsch dir Was!

 

In der Ströbitzer Hauptstraße traf er auf ein Kind, das im Garten des elterlichen Hauses gerade einen Schneemann baute. An dieses Kind trat der kleine Engel heran.
"Hallo kleiner Mann", sprach er, "das wird ja ein prächtiger Schneemann!"
"Mmh", nickte der Junge und musterte sein Gegenüber etwas misstrauisch. "Du bist nicht von hier".
"Da hast du recht", antwortete der kleine Engel, "ich komme nämlich von weit her."
"Aus Berlin?"
"Nein, nicht aus Berlin, von viel weiter komm ich her. Ich komme direkt vom Himmel." Und der kleine Engel begann sein Lieblingslied zu intonieren: "Vom Himmel hoch da komm ich her..."
Nachdem er damit geendet hatte, fragte der erstaunte Junge: " Du bist echt ein Engel?"
"Natürlich bin ich ein echter Engel, was hast du denn gedacht?"
"Weiß nicht aber mein großer Bruder sagt, dass es keinen Weihnachtsmann gibt und dass die Geschenke unsere Eltern besorgen."
"Wenn du meinst", erwiderte der kleine Engel etwas gekränkt, "aber vielleicht hast du ja doch einen besonderen Wunsch, den nur ich dir erfüllen kann".
"Einen besonderen Wunsch?" Der kleine Junge überlegte.
"Also, wenn ich mir wirklich etwas Besonderes wünschen könnte, dann würde ich mir wünschen, dass jedes Mal, wenn ich in die Tasche greife, ich ein Bonbon darin finde oder ein Stück Schokolade".
Der kleine Engel fand diesen Wunsch zwar nicht gerade ausgesprochen besonders, aber er versprach ihn zu Weihnachten zu erfüllen, verabschiedete sich von dem kleinen Baumeister und machte sich auf die Suche nach einem sehr armen Menschen.

Diesen sehr armen Menschen entdeckte der kleine Engel in Gestalt eines Obdachlosen, der bettelnd und frierendneben dem Eingang eines großen Kaufhauses saß, aus welchem Menschen herausströmten, die ihn nicht beachteten und Menschen hineindrangen, welche ihn ebenfalls links liegen ließen. Der kleine Engel legte ein Lotterielos in den Hut des Obdachlosen, worauf dieser verwundert aufblickte.
"Dieses Los", erklärte der kleine Engel, "wird am Weihnachtsabend gewinnen, wenn du willst, dass deine Not ein Ende hat." Misstrausch nahm der Obdachlose das Stück Papier in die Hand und betrachtete es von allen Seiten.
"Ein Hauptgewinn, wenn du willst", sprach der kleine Engel und fuhr fort: "Willst du, dass du gewinnst?"
"Ich würde schon gerne ein anderes Leben führen", sagte der Obdachlose, "und ich danke dir auch für das Los. Ob ich aber damit gewinnen werde, halte ich für unwahrscheinlich."
"Du wirst damit gewinnen", versprach der kleine Engel, "warte nur noch bis zum Heiligen Abend damit, dann wirst du schon sehen."
Mit diesen Worten verabschiedete sich der kleine Engel und machte sich auf die Suche nach einem geeigneten Präsidenten, den er mit der himmlischen Erfüllung eines Wunsches beglücken könnte. Mehrmals umkreiste der kleine Engel die Erde der Menschen und besah sich genau die unterschiedlichsten Präsidenten, die wenigstens eines gemeinsam hatten: sie brauchten nichts. Eine sehr schwierige Aufgabe für den kleinen Engel, wollte er doch auch einem von ihnen etwas Gutes tun. Aber wem?


Fortsetzung folgt.

Aus "Die Stadt in der Schachtel" von Stefan Grimm


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